“Erdogan ist kein populistischer Wahlkampfkämpfer”

“Erdogan ist kein populistischer Wahlkampfkämpfer”

08 Şubat 2008

Dirk-Oliver Heckmann / Deutschlandfunk

Der außenpolitische Berater des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, Cuneyd Zapsu, vertritt die Auffassung, der Besuch des Ministerpräsidenten sei keinesfalls als Zeichen des Misstrauens gegenüber den deutschen Behörden zu verstehen. Vor dem Hintergrund des Wahlkampfes in Hessen halte er aber die Unruhe sowohl in den türkischen Medien als auch der türkischen Gemeinde in Deutschland für verständlich.

Dirk-Oliver Heckmann: Eigentlich hat sich der türkische Ministerpräsident Erdogan bei seinem Deutschland-Besuch erkundigen wollen, wie man in Berlin die Entwicklungen in der Türkei im Rahmen der EU-Beitrittsverhandlungen beurteilt. Doch die Brandkatastrophe in Ludwigshafen, bei der neun türkischstämmige Menschen zu Tode kamen, hat alles überlagert. Immer noch ist nicht bekannt, ob es sich um ein Unglück gehandelt hat, oder doch etwa um Brandstiftung mit ausländerfeindlichem Motiv. Für einige türkische Medien scheint der Fall klar: die “Milliet” etwa spricht von einer Nazi-Spur. Den deutschen Behörden werden Ermittlungsmängel vorgeworfen. Sie sehen sich dem Verdacht ausgesetzt, die wahren Umstände vertuschen zu wollen. Am Telefon ist der außenpolitische Berater von Ministerpräsident Erdogan Cüneyd Zapsu. Guten Morgen Herr Zapsu!

Cuneyd Zapsu: Guten Morgen.

Heckmann: Herr Zapsu, Sie haben sich gestern ein Bild von der Lage in Ludwigshafen gemacht – zusammen mit Erdogan. Sie haben sicherlich auch mit Angehörigen der Opfer gesprochen. Mit welchen Eindrücken sind Sie gestern schlafen gegangen?

Zapsu: Zunächst einmal bin ich wenig schlafen gegangen, aber trotzdem: Sie haben Recht. Wir waren gestern in Ludwigshafen und ich kann Ihnen folgendes sagen: Ich habe zunächst einmal nicht nur die türkischen Medien gesehen, sondern auch die deutschen Medien. Wie Sie vielleicht bemerkt haben hat der Premierminister gestern in seiner Rede in Ludwigshafen beide Medien gebeten, sich doch bitte aus diesen Vorurteilen und aus diesen Schlagzeilen zu entfernen, die Hass schüren. Dass wir zum Beispiel nach Ludwigshafen gehen, hat weder mit populistischer Politik noch mit Misstrauen zu tun. Ich hoffe nie, aber wenn das gleiche in der Türkei passiert wäre und Frau Bundeskanzlerin einen Staatsbesuch in dieser Zeit in Ankara hätte, würde sie bestimmt auch einen Abstecher machen. Wenn so etwas passieren würde – und es ist ja leider auch einige Male passiert -, dann versucht das BKA beziehungsweise versuchen Sicherheitskräfte aus dem Land zu helfen aufzuklären was passiert ist. Das heißt von der Türkei her sollte das nicht als Misstrauen verstanden werden; im Gegenteil: Ich hoffe, dass einige die Rede von Herrn Erdogan gestern in Ludwigshafen mitbekommen haben. Wir haben versucht, die türkischen Mitbewohner beziehungsweise türkischstämmigen Mitbewohner zu beruhigen und zu sagen, hört mal zu, das hat mit Ausländerfeindlichkeit und so weiter nichts zu tun. So etwas kann passieren und es ist ein Schmerz für Jedermann.

Heckmann: Die Rede von Ministerpräsident Erdogan ist wohl registriert worden denke ich, auch in Deutschland. Dennoch möchte ich gerne noch bei den Angehörigen bleiben, mit denen Sie gesprochen haben. Haben die Zweifel an der Ermittlungsarbeit der deutschen Behörden geäußert?

Zapsu: Nein. So etwas gibt es nicht. Natürlich gibt es einige, die so etwas haben. Es gab in der Vergangenheit die Solingen-Geschichte und so weiter und deswegen ist es auch normal, dass man sofort daran denkt. Wir glauben das aber nicht und Herr Erdogan hat sich danach auch gleich öffentlich bei der Polizei für ihre Arbeit bedankt, für die Arbeit der Feuerwehr und er hat sich auch selbst beim Feuerwehrdirektor selbst bedankt. Auch bei den Angehörigen habe ich das selbst nicht bemerkt. Es gibt natürlich Probleme, bürokratische Probleme. Man muss etwa bei der Überführung der Angehörigen einen DNA-Test machen, bevor sie überführt werden können. Man möchte natürlich die Verstorbenen so bald wie möglich überführen, um ein Begräbnis machen zu können. Es gab auch wieder mal ein bürokratisches Problem mit dem Visum, dass der Vater eines Angehörigen aus der Türkei nicht her kommen kann, weil er seit drei Tagen kein Visum bekommen hat. Das sind aber Dinge, wo ich persönlich nichts davon gehört habe, dass das etwas mit der Polizeiarbeit oder so etwas zu tun haben könnte.

Heckmann: Sie haben die Berichterstattung von Teilen der türkischen Medien angesprochen und auch angesprochen, dass Erdogan dabei zur Mäßigung aufgerufen hat. Wie ist dann aber diese Berichterstattung zu erklären? Wie ist zu erklären, dass gleich von einem ausländerfeindlichen Hintergrund gesprochen wird? Wird da Stimmung gemacht gegen Deutschland?

Zapsu: Ich verstehe beide Seiten. Wir hatten zuletzt ja keine schöne Kampagne in Deutschland. Hier möchte ich zum Beispiel an Hessen erinnern.

Heckmann: Sie spielen auf den hessischen Landtagswahlkampf von Ministerpräsident Roland Koch an.

Zapsu: Ja, natürlich. Das hat sehr viel Unruhe in die türkischstämmigen beziehungsweise türkischen Mitbewohner in Deutschland gebracht und das hat natürlich auch in der Türkei viel Wirbel gemacht. Es war kein schöner Wahlkampf. Ich glaube nicht, dass das jemand behaupten kann. Deswegen ist es ganz normal glaube ich, dass gleich nachdem so ein Wahlkampf stattgefunden hat, so reagiert wird, wenn dann so ein Brand entsteht und zwar in einem Haus, wo vor Jahren – so habe ich das mitbekommen – schon mal ein kleinerer Anschlag gemacht wurde. Ein kleiner Molotow-Cocktail wurde glaube ich mal dort gezündet. Sie wissen auch, dass in Ludwigshafen sowieso einige Spannungen bestanden haben. Deswegen ist es glaube ich zu verstehen, dass man gleich darauf anspricht. Zu verstehen ist es, aber nicht gut zu heißen und das haben wir auch nicht gemacht.

Heckmann: Herr Zapsu, auf der anderen Seite gibt es auch Kritik am Agieren der türkischen Regierung. Die Islam-Expertin der SPD Lale Akgün beispielsweise hat gestern bei uns hier im Deutschlandfunk gesagt, Erdogan wolle mit seinem Auftreten in Ludwigshafen nur von der Kopftuch-Debatte in der Türkei ablenken. Dort soll ja das strikte Kopftuch-Verbot gelockert werden. Was sagen Sie zu solchen Vorwürfen?

Zapsu: Wissen Sie was? Ich kenne Frau Akgün. Die hat wahrscheinlich keinen guten Tag gehabt. Die soll sich mal andere Gedanken machen. Wir haben keinen Wahlkampf in der Türkei. Herr Erdogan ist kein populistischer Wahlkampfkämpfer. Wie ich am Anfang schon gesagt habe: Wenn so etwas in der Türkei passieren würde, würde Frau Merkel hingehen und irgendjemand würde sagen, sie lenkt von diesem oder jenem ab? Das ist wirklich Unsinn, was sie gesagt hat, und es hat mich wirklich zutiefst bedauert, dass so etwas von einer Abgeordneten kommen kann. Zum Kopftuch kann ich nur eines sagen: Wir sprechen von einer Freiheit, nicht von einem Verbot. Freiheit ist Demokratie und die Türkei hat demokratisch auch bewiesen, mit wem sie wohin gehen sollte und möchte. Darum sollte sich niemand darum kümmern, außer dem Volk, das gesagt hat, wohin es geht. Übrigens diese zwei Sätze stammen nicht von mir; sie stammen von einem sehr großen SPD-Politiker von vor einer Woche, nämlich Gerhard Schröder hat das gesagt.

Heckmann: Cüneyd Zapsu im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Herr Zapsu, ich danke Ihnen herzlich für das Gespräch.

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